Verdis „Aida“ als Nahost-Thriller: Zwiespältig
13.05.2010 | 18:11 | (Die Presse)
Torsten Fischer befreit die Sklavin von der Burka, sich selbst aber nicht von Regietheater-Unarten. Dass ein Besuch dennoch empfohlen wird, liegt an den Leistungen der Protagonisten.
Torsten Fischer siedelt in Klagenfurt seine „Aida“-Neuinszenierung im Nahen Osten an. Zunächst vollständig von einer schwarzen Burka verhüllt, ist Aida am Schluss hochsymbolisch zu einer wunderschönen, liebend-todesbereiten Frau mit strahlendem Antlitz und gelöstem Haar gewandelt. Auch sonst gelingt es der Regie durch subtile Details die zentrale Dreiecksgeschichte überaus berührend zu erzählen, es ereignen sich veritable Mikrodramen über den ganzen, spannenden Abend hinweg.
Leider reiht sich Torsten Fischer jedoch nahtlos in die offenbar genuin deutsche Regieattitüde ein, alle kultischen und zeremoniellen Szenen wie weiland Neuenfels (Frankfurt), Schaaf (Zürich) oder Konwitschny (Graz) zwangsneurotisch zu dekonstruieren: Böse, imperialistische Männermacht gegen reine Liebe, dies ist das Match, dass wir's nur ja alle kapieren – so platt, dürftig, langweilig, ideologisch, pubertär geht es auf unseren Schaubühnen zu!
Fantastische Sänger
Durch Kürzungen der Ballettszenen passt sich Peter Marschik am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters dem rasanten Erzähltempo auf der Bühne an, vieles klingt merkwürdig verwackelt, manches hingegen fein gestaltet und klanglich sorgfältig aufgefächert. Die großen Ensembleszenen brechen dröhnend auseinander, wen wundert's?
Dass ein Besuch dennoch empfohlen wird, liegt an den Leistungen der Protagonisten: Sae Kyung Rim klingt anfangs zwar bedeckt, gestaltet die Aida dann aber in einem gewaltigen Crescendo mit einer prachtvoll lyrischen Stimme. Dubravka Musovic hat nach Thomas Mann einen „fürstlichen Alt“, ihr Fluch wird zum grandiosen vokalen Höhepunkt des Abends! Gaston Rivero verfügt über einen strahlend schönen, mediterran timbrierten Tenor, der in viriler Attacke ebenso überzeugt wie in den lyrischen Passagen – einen Sonderpreis für das sensationelle, lupenreine Diminuendo auf dem letzten Ton der „Celeste Aida“-Romanze, das war seit Pavarotti (Wien 1984) so makellos nicht mehr zu hören gewesen. Francesco Landolfi als dämonischer Amonasro und Gustáv Beláček als zynischer Ramphis runden einen vokal glanzvollen Abend ab. hasl
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2010)
Dubravka Mušović-Šeparović
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